Bei meinen kleinen Streifzügen durch die Au merke ich immer wieder, wie mich das unmittelbare Erleben klarer werden lässt:
Mit dem linken Ohr höre ich das Plätschern des Flusses und rechts höre ich das Brummen der Autobahn. Ich lasse diese Mischung auf mich wirken und es wird mir klar: Auf der einen Seite wirkt der große Geist und auf der anderen werkt der Mensch.
Beim Gebet der Erde ist der unmittelbare, hautnahe Kontakt mit der Natur und insbesondere der Wildnis essentiell.
Wir verbinden uns nicht in Gedanken mit der Natur, sondern mit dem Körper. Die Füße gehen am Erdboden, stolpern über einen Ast, das Laub raschelt, ...Die Hand berührt den Baum, spürt die Rinde oder den Weißdornstachel, .... Das Auge sieht den Silberreiher drüber ziehen, sucht im Dickicht einen Weg, erfreut sich am frischen Teppich aus Schneeglöckchen, .... Der Mund kostet ein frisches Bärlauchblatt und schmeckt den lauchigen starken Geschmack. Das Ohr hört die Vögel zwitschern und das Wasser rauschen, .... Die Nase riecht den Duft des Frühlings.
Wir konsumieren die schönen Bilder der Natur nicht am Bildschirm, sondern sehen die reale Natur mit den eigenen Augen. Diese reale Welt ist oft nicht so schön, wie wir es erwarten, denn da geht wieder einmal eine Stromleitung durch und alles ist abgeholzt oder die Stängel der Brennnesseln vom Vorjahr stehen noch herum. Sie berührt daher anders als die Kulturlandschaft oder die geschönten Bilder der Medien. Sie ist anders schön – und herausfordernd.
Erfrischend und bewusstseinserweiternd finde ich auch, von den Erfahrungen Daniel Everett's beim glücklichsten Volk zu lesen. Hier ein Zitat:
„Sie ... haben entdeckt, wie nützlich es ist, von einem Tag zum anderen zu leben. Die Pirahã stellen schlicht und einfach das Unmittelbare in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit, und damit beseitigen sie mit einem Schlag gewaltige Ursachen von Besorgnis, Angst und Verzweiflung, die so viele Menschen in den westlichen Gesellschaften heimsuchen.“ (Daniel L. Everett: Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas, 2010, 5. Auflage)
Anton S. - 23. Mär, 16:38
Schnee –
in der abenddämmrigen Aue
der Gebetsbaum - so alt.
JEM, im Dezember 2010
Dieses Haiku ist entstanden, als ich letzten Winter erstmals am Gebet-der-Erde-Platz war. Ich mag den Text noch immer - und den Ort auch.
Auch dieser Winter hält stille und schöne Momente bereit. Bin ich still genug, sie auch wahrzunehmen? Selbst wenn der Winter vielleicht nicht so ist, wie ich ihn erwarte.
Hör´hin!
JEM
JEM - 20. Jan, 19:45
Im Gebet der Erde lade ich ein, die Natur und insbesondere die Wildnis unmittelbar zu erleben. Mit dem eigenen Leib, mit den eigenen Sinnen, in der realen Welt.
An dieser Stelle ist spontan folgendes Gedicht entstanden:
Wild
sucht Weg im Unterholz
immer wieder
Weg
Ich
suche Weg im Unterholz
finde Wildweg und -kot
biege Äste beiseite
hüpfe oben drüber - schlüpfe unten durch
Suche Weg im Unterholz
spüre Rinde in der Hand
höre Krähen rufen – warnen
lehne am Baumstamm
wiege mich mit Stamm im Wind
Suche Weg im Unterholz
lausche
rieche bekannten - unbekannten Duft
höre Vöglein piepsen
suche Vöglein
Suche Weg im Unterholz
sehe Vöglein hüpfen - von Ast zu Ast
immer wieder
bin
verwandt mit Wald - Wildnis - Wild
Wild
sucht Weg im Unterholz
immer wieder
Weg
Anton Stelzhammer
30. Dezember 2011
Gebet der Erde im Winter 2012
Die Treffen finden wie immer jeden ersten Sonntag des Monats, jeweils um 11 Uhr statt, und zwar am 1. Jänner, 5. Februar und 4. März.
Unabhängig vom Wetter gehen wir in die Wildnis, um zu staunen und zu lauschen - und um gemeinsam zu beten.
Im Winter zeigen uns die kahlen Bäume der Au ihr Geäst. Vieles ruht. Wir lassen uns davon inspirieren.
Treffpunkt ist wieder der kleine Parkplatz unterhalb der Traisenbrücke am rechten (=östlichen) Ufer der Traisen in Herzogenburg. (Abfahrt über die kleine Schotterstraße nach der Brücke links)
Anton S. - 30. Dez, 09:47
Alte Eichenschwestern.
Furchige, warme Rinden
lassen mich verweilen - im Sommer.
JEM im Juli 2011
Noch immer sind die Tage sommerlich warm, daher passt mein Haiku vom Juli noch. Ich bin dankbar für viele wunderbare Momente in der Natur in diesem Sommer und in den letzten Wochen:
Die klare Luft des Spätsommers, das Zirpen der Grillen in den Nächten, Morgengebet an der Kuhweide: im Frühnebel sind nur die Viehglocken zu hören - die Tiere nicht zu sehen, schwimmen im Bergsee, fallende Sternschnuppen, die Süße des reifen Hollers, Ernte der Feldfrüchte, Heilpflanzen in ihrer ganzen Kraft: Engelwurz, große Klette, Beinwell, Eisenhut!
Dir und mir einen Herbst der Fülle und Dankbarkeit.
JEM - 29. Sep, 16:39
Die größte Kirche dieser Welt heißt: Natur. Suchst du sie auf, kommst du nach Hause. Nach Hause zu dir selbst.
Angaangaq
Wenn ich am Fluss sitze und den Fischen zuschaue oder am Baum lehne, seine Bewegungen spüre und die Vögel höre, komme ich dann nach Hause? Bin ich in mir selbst zu Hause?
Wenn mir einfällt was noch zu tun ist, wenn ich noch die Unruhe von der gestrigen Besprechung in mir spüre, wenn ich mir Sorgen um die Zukunft meiner Kinder mache, bin ich dann in mir selbst zu Hause?
Ich streife durch das Dickicht und treffe auf einen dreistämmigen, schlanken und sehr hohen Weißdornstrauch. Ganz ungewöhnlich, ich staune. Ich erinnere mich an die blühenden Weißdornzweige, die ich bei der Hochzeit mit meiner ersten Frau trug – Tränen fließen. Ich bin zu Hause, in mir selbst.
Ich danke dem Weißdornstrauch dafür, dass er mein Fließen ausgelöst hat und gehe zum Gebetskreis. Das gespürte und das gesprochene Gebet verbindet mich mit der Schöpfung und den Menschen. Ich bin Schöpfung und ich bin Mensch. Ich bin zu Hause, auf der Erde.
Gebet der Erde im Herbst 2011
Die Treffen finden wie immer jeden ersten Sonntag des Monats, jeweils um 11 Uhr statt, und zwar am 2. Oktober, 5. November und 4. Dezember.
Unabhängig vom Wetter gehen wir in die Wildnis, um zu lauschen und zu staunen - und um gemeinsam beten.
Im Herbst werden uns die Farben des Laubs, die Nebel und vielleicht auch schon Fröste in der Au begegnen. Wir lassen uns davon inspirieren.
Treffpunkt ist wieder der kleine Parkplatz unterhalb der Traisenbrücke am rechten (=östlichen) Ufer der Traisen in Herzogenburg. (Abfahrt über die kleine Schotterstraße nach der Brücke links)
Anton S. - 29. Sep, 15:30
Von Küste zu Küste, zwischen Wüste und Wald, nehmen die eingeborenen Völker sich als einen integrativen Bestandteil der Schöpfung wahr. In ihren Sprachen trägt die Schöpfung die Namen enger Verwandter: „Mutter Erde“, „Großmutter Mond“, „Großvater Wind“.
(Position Paper of the Native American Projekt of the Theology in the Americas. Detroit II Conference, July/Aug. 1980, S. 2)
Jede neue Schutzvorrichtung gegen die natürliche Welt trägt etwas zu der ständig wachsenden Illusion bei, wir seien unabhängig von der Natur, so daß mit der Zeit die größte aller Illusionen aufgebaut wird: die von der Allmacht des Menschen.
(Frederick Turner, Beyond Geography, S. 25)
Beide Zitate sind dem Buch 'Der große Segen' von Matthew Fox entnommen, das ich immer wieder als Quelle der Inspiration erlebe.
Gebet der Erde am 7. August
Der Sommer ist wie er ist. Unabhängig vom Wetter gehen wir in die Wildnis, um zu lauschen und zu staunen - und um gemeinsam beten. Diesmal wird mich Norbert Ungar in der Leitung des Gebetstreffens vertreten.
Das Treffen ist am Sonntag, den 7. August 2011 um 11 Uhr wieder in Herzogenburg, am kleinen Parkplatz unterhalb der Traisenbrücke am rechten (=östlichen) Ufer der Traisen.
Anton S. - 30. Jul, 19:50
Gebet, wie ich es verstehe heißt, mit sich selber in Kontakt zu sein und mit dem Großen Ganzen in Kontakt zu sein.
Wenn wir beim Gebet der Erde in die Natur und Wildnis gehen um zu beten, so lauschen wir zuerst einige Zeit lang den Stimmen der Wildnis. Die Tiere und Pflanzen, die wir wahrnehmen, sind mit sich in Kontakt - und sie sind mit dem Großen Ganzen in Kontakt. Sie gehen ihren Weg, den die Schöpfung für sie vorgesehen hat. Das ist das Gebet der Erde. Wir lassen uns von dieser einfachen Klarheit inspirieren.
Werner Hörtner fragte in der Radiosendung 'Gedanken' seinen indianischen Begleiter Mamo Francisco Zabaleta: „Was ist das Wichtigste im Leben?" „Die wichtigste Qualität eines Menschen ist es, die 'leyes de orígen' zu kennen und einzuhalten, das sind die ursprünglichen Gesetze der Natur und des Lebens", war die Antwort des Mamos. 1
Bei unseren Wahrnehmungen in der Wildnis haben wir die Chance, etwas von diesen 'ursprünglichen Gesetzen der Natur und des Lebens' kennen zu lernen. Die verschiedenen Nuancen des Grüns zu sehen, die gefiederten Verwandten zu hören, den Geruch, der vom Boden mit seinen morschen Ästen aufsteigt zu riechen, den süßen Honig aus einer Blüte zu saugen und zu schmecken, am Baum zu lehnen und mit dem eigenen Körper zu spüren wie er sich im Wind wiegt. Dieser persönliche und innige Kontakt mit der Vielfalt des Lebens kann nicht durch den besten Naturfilm oder durch Denken ersetzt werden. Er ist direkt, hautnah, einzigartig und doch auch universell.
Darum mache ich es wie mein Nachbar. Ich beginne den Tag indem ich ins Freie gehe. Mit mehreren Sinnen begrüße ich den neuen Tag und danke meinem Schöpfer für die Vielfalt des Lebens. Dabei fließen der Kontakt zu mir selber, mein Kontakt zur Natur und mein Kontakt zum Schöpfer immer wieder zusammen zu einer lebendigen Verbundenheit mit allem.
Verbundenheit
Aloisia hörte gerne die Sonntagsmesse im Radio oder fuhr zur Gebetsstunde in die Kirche.
Heiliger Geist, du öffnest uns viele Wege, wie wir mit dir verbunden sein können. Lass uns immer wissen, dass wir auch mit dir verbunden sind, wenn wir am Abend „Danke für den Tag“ sagen, oder wenn wir staunen, wie das Reh über die Böschung springt. 2
Anton Stelzhammer
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1 "Die Weisheit der indianischen Völker Kolumbiens" von Werner Hörtner. Radio Ö1 - Gedanken für den Tag, 6.4.2010
2 Vorgeschlagene Fürbitte beim Begräbnis meiner Mutter
Gebet der Erde im Juli
In die Wildnis gehen, lauschen und staunen - und gemeinsam beten, das sind auch diesmal wieder unsere Elemente des Zusammenkommens.
Wir treffen uns am Sonntag, den 3. Juli 2011 um 11 Uhr wieder in Herzogenburg, am kleinen Parkplatz unterhalb der Traisenbrücke am rechten (=östlichen) Ufer der Traisen.
Anton S. - 27. Jun, 09:22
Frühlingswald im Regen -
ich singe.
Glückliche Wassertropfen!
JEM, im April 2011
Als ich erstmals die japanischen Haiku (3-zeilige "Gedichte" in der Zen-Tradition) kennenlernte, haben sie mich durch Ihre Schlichtheit, Direktheit und den Bezug zur Natur und zu den Jahreszeiten unmittelbar angesprochen und berührt. Manchmal schreibe ich selber eines (s.o.).
Ich wünsche Euch Teilnehmendem am morgigen "Gebet der Erde" eine tiefe Verbindung mit Eurem Inneren, der sommerlichen Natur und der Erde die uns trägt. Und vielleicht einen ähnlichen Glücksmoment wie oben beschrieben.
Mitakuye Oyasin
JEM - 4. Jun, 21:35
fein und zart streicht der Wind mir
den Regen ins Gesicht
ich stehe und staune
über das ersehnte Nass
drinnen öffne ich das Fenster
um zu hören
die feinen Tropfen ertönen hell
am Laub der Bäume
zufrieden über den geglückten Tag
wiederhole ich mein morgendliches Gebet
danke für das Wasser
das wir zum Leben brauchen
a.s.
12. Mai 2011
(Die letzten beiden Zeilen entstammen dem täglichen Gebet der Lakota, Nordamerika)
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Dieses Gedicht verfasste ich aus Freude über den ersten Regen in diesem Frühjahr.
Normalerweise ist ein Frühling bei uns mit genug Regen verbunden. Sein langes Ausbleiben dieses Jahr gab mir Gelegenheit zu erkennen, dass nichts selbstverständlich ist, dass das lebendige Leben auch ungesichert ist. Sein Kommen verlockte mich zur Dankbarkeit.
Gebet der Erde im Juni
In die Wildnis gehen, lauschen und staunen - und gemeinsam beten, das sind auch diesmal wieder unsere Elemente des Zusammenkommens.
Wir treffen uns am Sonntag, den 5. Juni 2011 um 11 Uhr wieder in Herzogenburg, am Parkplatz unterhalb der Traisenbrücke am rechten Ufer der Traisen.
Anton S. - 31. Mai, 10:24